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Lebensbewältigung als Schulfach – eine Präventionsidee?

Vor drei Jahren führte eine Zürcher Schule in privater Trägerschaft auf der Oberstufe das Schulfach „Lebensbewältigung“ ein. Die Idee dahinter: Mit Jugendlichen über Herausforderungen zu diskutieren, vor die uns das Leben stellt.

 

 

Von Eveline von Arx, Dr. phil. Erziehungswissenschaftlerin und Psychologin MSc, Vorstandsmitglied des Schweizerischen Berufsverbandes für Angewandte Psychologie SBAP.

 

 

 

 

Als eine Schülerin der Oberstufe der Gesamtschule Unterstrass in Zürich den Schulleiter fragte, ob ein neues Schulfach eingeführt werden könne, in dem es etwa um den Umgang mit Streit oder Mobbing, der Trennung der Eltern oder Liebeskummer gehe, rannte sie mit diesem Vorschlag offene Türen ein: Der Schulleiter Dieter Rüttimann rief mich gleich an und wollte zusammen mit mir (als einstiger Leiterin des Dr.-Sommer-Teams der Jugendzeitschrift Bravo) diese Idee verwirklichen.

 

Schon wenige Wochen später fand die erste Stunde in „Lebensbewältigung“ statt! Wir starteten mit einer offenen Runde, und die Jugendlichen konnten ihre Themen, welche sie in den nächsten Wochen und Monaten gemeinsam besprechen wollten, einbringen. Partizipation und inhaltliche Mitbestimmung standen von Anfang an im Zentrum; es soll in dieser Schulstunde um das offene Gespräch in der Gruppe gehen, in dem sich jede/r einbringen kann, wenn er will und mitnimmt, was für sie/ihn bedeutsam ist. Diese Möglichkeit, sich zu beteiligen und von anderen – also von uns Lehrpersonen und den Mitschüler/innen – in einem vertrauten Rahmen (an-)gehört und wahrgenommen zu werden, fördert Selbstwirksamkeit und Resilienz. Aspekte, die gerade auch im Zusammenhang mit psychischer Gesundheit wichtig sind.

 

Bereits in den ersten Sitzungen ging es um existenzielle Themen wie Tod und Sterblichkeit, da eine Jugendliche vor kurzem ihren Grossvater verloren hatte. Sie war traurig, vermisste den geliebten Opa sehr und verspürte das Bedürfnis, darüber zu reden. Sie erzählte uns, wie zugewandt er gewesen war, welche prägenden Gedanken und Sätze er ihr mitgab, wie etwa die Aufforderung, an sich selber zu glauben. Die anderen Schüler/innen nahmen regen Anteil, und aus der Diskussion ergaben sich weitere Fragen, wie z.B.: Was wäre, wenn wir ewig leben würden? Hätten wir dann überhaupt Ziele, die wir verfolgen möchten? Fragen über Fragen, auf die die Antworten meist so individuell ausfielen wie die Schüler/innen selber sind.

 

Inzwischen ist es drei Jahre her seitdem dieses Schulfach eingeführt worden ist. Und wir konnten uns über viele weitere Anliegen der Jugendlichen austauschen: seien diese Aufklärung, Liebe und Sexualität, Kinderrechte, Ausgrenzung und Mobbing und manches mehr. Auch wir Lehrpersonen lernen in jeder Stunde dazu und merken, wie uns die Aussagen der Jugendliche und der offene Austausch berühren und die Beziehungen mit ihnen als auch der Schüler/innen untereinander gestärkt werden. Positive Lehrer/innen-Schüler/innen-Beziehungen sind für die Lernleistung von Kindern und Jugendlichen essentiell, das wird durch Forschungsbefunde unterstützt. Und gute (Lern-)Beziehungen und Lernerfolge sind auch aus präventiver Sicht auf psychische Gesundheit mit Sicherheit nicht zu unterschätzen.

 

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