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Der heuchlerische Traum von der rauchfreien Welt

Vor einem Jahr hat sich der Tabakkonzern Philip Morris «tabakfrei» erklärt. Das Selbstbekenntnis ist opportunistisch und heuchlerisch, wie ein Blick über Europa hinaus zeigt.

 

 

Von der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz AT

Seit einem Jahr fällt Philip Morris International mit einer ungewöhnlichen Aussage auf: Der Tabakkonzern möchte von der Zigarette wegkommen. Vertreter von Philip Morris schwärmen in Interviews öffentlichkeitswirksam von einer Welt, in der nicht mehr geraucht wird. Zu diesem Zweck hat Philip Morris sogar die «Stiftung für eine rauchfreie Welt» (Foundation for a Smoke-Free World) gegründet. Der Tabakkonzern sorgt sich um die Gesundheit der Raucherinnen und Raucher.

Dieser Schritt, der unternehmerisch zunächst befremdlich anmutet, ist Teil einer 2017 gestarteten Marketingkampagne. Diese packt ein Problem an, mit dem sich die gesamte Tabakbranche konfrontiert sieht: Konventionelle Zigaretten verkaufen sich, zumindest in der westlichen Welt, schlechter als früher. In der Schweiz etwa ist der Tabakverkauf seit 1998 um 38 Prozent zurückgegangen. Die Zigarette geniesst allgemein einen schlechten Ruf. Es ist nicht schwierig vorauszusagen: Mit der Zigarette gibt es längerfristig in Europa nicht mehr das grosse Geld zu machen.

 

«Harm reduction» als Türöffner

Mit dem Bekenntnis zu einer rauchfreien Welt versucht Philip Morris deshalb, das sinkende Boot möglichst gewinnbringend zu verlassen. Das Bekenntnis poliert das Image auf und bringt gleichzeitig neue Produkte ins Rennen. Denn im Gepäck hat der Konzern bereits eine Lösung für das Gesundheitsproblem, das Zigaretten anrichten: Neue elektronische Geräte zum Erhitzen von Tabak, die subtil als weniger schädliche und zeitgemässe Variante verkauft werden. In der Schweiz ist es das Produkt «Iqos».

Auch die Stiftung für eine rauchfreie Welt ist auf diese neuen Produkte ausgerichtet. Denn mit einer rauchfreien Welt meint der internationale Konzern einen Planeten ohne «Zigaretten und andere Formen von verbranntem Tabak», wie die Webseite der Stiftung aufklärt. Nur der herkömmlichen Zigarette, die ohnehin nicht zu retten ist, geht es also an den Kragen. Nikotinkonsum in anderer Form ist durchaus erwünscht. Das Schlagwort der Stiftung ist «Harm Reduction» – Schadensverminderung. Iqos und Konsorten werden so in Position gebracht und sollen so auf raffinierte Weise eine Legitimation als Ersatzprodukte erhalten.

 

Indonesien ist nicht die Schweiz

Wie opportunistisch und heuchlerisch das Bekenntnis zur rauchfreien Welt ist, zeigt letztlich der Blick über Europa hinaus. In Indonesien, auf der anderen Seite der Erdkugel, scheint Philip Morris von der Existenz ihrer Stiftung noch nichts mitbekommen zu haben. Die Bevölkerung im südostasiatischen Inselstaat hat kein Geld für trendige elektronische Geräte – also setzt der Konzern dort weiterhin auf herkömmliche Zigaretten.

Mit der Zigarette «A Mild» besitzt Philip Morris eine der verkaufsstärksten Marken im Land. Eine Studie der Universität Sydney hat kürzlich aufgezeigt, mit welchen Mitteln die Marke beworben wird. Wenig überraschend sind es vor allem Kanäle, die die junge Bevölkerung ansprechen: vorneweg die Social-Media-Plattform Instagram. Die Zigarette wird mit ähnlichen Attributen beworben wie in Europa die Produkte zum Erhitzen von Tabak: als trendige Produkte für junge Leute.

 

Botschaften nach Mass

Wo bleibt in Indonesien das Bekenntnis zu einer rauchfreien Welt? Es existiert nicht, weil der Zigarettenmarkt dort ein anderer ist als in Europa. «Die Studie belegt, dass sich Philip Morris in Indonesien nicht für eine rauchfreie Welt einsetzt», schreibt das Forscherteam.

 Der Blick auf Indonesien zeigt, wie massgeschneidert und opportunistisch der Tabakkonzern sein Marketing betreibt. Erzählt wird, was im jeweiligen Land dem Image und dem Absatz dient. In der Schweiz gibt Philip Morris vor, sich um die Gesundheit der rauchenden Bevölkerung zu sorgen. Aber wenn ein Konzernabgeordneter von einer «rauchfreien Welt» fantasiert, dann meint er damit offensichtlich nicht die gesamte Welt. Auch nicht die Schweiz. Gemeint ist eigentlich gar nichts. Es klingt nur gut und bringt hoffentlich Gewinn.