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Das zukünftige Tabakgesetz: eine Nebelwand

Aufgewärmt, aber noch weniger warm als zuvor: So könnte man die neue Version des Tabakproduktegesetzes (TabPG) beschreiben. Die Vernehmlassung zum Vorentwurf wurde Ende März abgeschlossen. Zur Erinnerung: Eine erste Version – auch sie schon ziemlich lauwarm – wurde 2016 von den eidgenössischen Räten an den Bundesrat zurückgewiesen. Die Parlamentsmehrheit wollte weniger Werbeverbote für Tabakprodukte und begnügte sich damit, deren Verkauf an Minderjährige zu verbieten.

 

Von Liliane Maury Pasquier, Ständerätin

 

Dass ein Verkaufsverbot genügt, um die Jugendlichen vor dem Rauchen zu schützen, ist jedoch ähnlich illusorisch wie die Türe eines brennenden Hauses zu schliessen und zu hoffen, damit das Feuer aufzuhalten: Die Wirkung wäre genauso gering! Denn solange das Verlangen der Jugendlichen nach Tabak entfacht wird – durch Werbung in der Presse, im Kino und auf Plakaten, durch attraktive Preisangebote und sympathische Werbeträgerinnen, durch Sponsoring grosser Anlässe durch die Tabakindustrie –, so lange lässt sich die Tabakkatastrophe nicht bewältigen. Zu viele Werbemöglichkeiten bleiben gemäss dem Vorentwurf erlaubt.

 

Und das Feuer breitet sich aus. Den vom Tabak angerichteten Schäden vorzubeugen, ist dringend notwendig und ein prioritäres Anliegen der öffentlichen Gesundheit. Jedes Jahr sterben in der Schweiz 9500 Personen an den Folgen des Tabakkonsums, das sind 15 % aller Todesfälle. Zu den Gründen gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen (39 %), Krebs (42 %) oder Atemwegserkrankungen (19 %). Das bedeutet auch, dass zahlreiche Menschen mit einer chronischen, durch Tabak verursachten Krankheit leben. Dadurch entstehen enorme immaterielle wie materielle Kosten. Rauchen kostet die Gesellschaft in der Schweiz jährlich rund 10 Milliarden Franken in Form von Gesundheitsausgaben und verminderter Lebensqualität.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass die Hälfte der Raucherinnen und Raucher im Alter von unter 18 Jahren mit dem Rauchen beginnen, sind die Produzenten interessiert, die Zielgruppe der Jugendlichen anzusprechen und sie direkt vom Schnuller zur Zigarette zu bringen. Entsprechend hat das von der Tabakindustrie beeinflusste Parlament für ein TabPG gesorgt, das seine Intention vernebelt: Es gibt vor, die Jugend zu schützen, bewilligt jedoch weiterhin die Mittel, sie zu zerstören. Weitere Ziele haben sich in Rauch aufgelöst: Reduktion des gesamten Tabakkonsums, Kampf gegen die nichtübertragbaren Krankheiten, Beitrag zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen.

 

Mit dieser neuen Version des Gesetzes wird die Schweiz nicht in der Lage sein, das WHO-Rahmenabkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums zu ratifizieren, das sie 2004 unterzeichnet hat. Und das als Gaststaat der WHO! In seiner Antwort auf meine Interpellation zu diesem Thema erklärte der Bundesrat, das Erarbeiten einer Botschaft zu dieser Ratifizierung gehöre zu jenen Zielen des Legislaturprogramms 2011–2015, die zur Bekämpfung der steigenden Gesundheitskosten beitragen. Das war im Jahr 2013 …

 

Es wäre an der Zeit, dass sich die Schweiz eine glaubwürdige Strategie zur Kontrolle der Tabak­produkte gibt und wirksame Schutz- und Präventionsmassnahmen einführt! Doch darauf wird man, wie auf ein griffiges TabPG, wohl warten müssen. Die Initialzündung könnte, so ist zu hoffen, von der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» ausgehen, die aus Kreisen der Prävention lanciert wurde und ein Verbot jeglicher an Jugendliche gerichteter Tabakwerbung fordert – ein Verbot, dessen Wirksamkeit klar erwiesen ist.